Autor: Clemens

Nach der jährlichen Kontrolle und den notwendigen Servicearbeiten bzw. Ersatzbeschaffungen, haben wir voll Vorfreude unsere Hallberg Rassy 36 Tortilla Flat mit Getränken, Proviant und Kleidung beladen. Für unsere fünfwöchige Fahrt zu zweit (Christiane alias Moritz und Clemens) war alles geplant und die notwendigen Fourage- und Staulisten erstellt. Von Berlin sollte es in Richtung Schwedische Ostküste – möglichst in die Mälaren – und anschließend wieder zurück nach Berlin gehen. Nach dem der Mast gelegt war, hieß es am 25.05.2013, dem Freitag vor dem Pfingstwochenende, um 15:00 Uhr Leinen los und unsere Reise begann bei herrlichem Wetter vom VSaW in Berlin-Wannsee in Richtung Oder-Havel-Kanal mit Ziel Stettin.

Nach den Schleusen Spandau und Lehnitz machten wir uns gegen 20:15 Uhr für die Nacht fest und fuhren am nächsten Morgen um 05:00 Uhr weiter. Nach dem
Schiffshebewerk Finow und der Schleuse Hohensaaten-West erreichten wir gegen 19:00 Uhr Stettin und legten gleich direkt am Mastenkran vom Akademischen Segelverein an.

Am nächsten morgen stellten wir bei diesem sehr gastfreundlichen Verein den Mast und machten uns gegen 10:30 Uhr bei zunehmend linksdrehenden E-Wind (Anfangs 2-3 Bft, Später N-NW 5) unter Segel auf den Weg nach Svinemünde.

Im gut ausgebauten Hafen stellen wir bei der Routine-Durchsicht ein Wasser-Öl-Gemisch in der Bilge fest. Die Ursache war bald gefunden. Bei der Kontrolle des Getriebes am Vortag ist der Dichtungsring des Inspektionsdeckels verrutscht, so dass bei der Schräglage durch das Segeln und gleichzeitig laufendem Motor Getriebeöl austrat. Die Dichtung wurde gerichtet, Öl aufgefüllt und alles war wieder in Ordnung. Das verschmutze Bilgenwasser wurde in Flaschen abgefüllt und im Hafen fachgerecht entsorgt. Nach diesem Anfangsschreck hieß es am nächsten Morgen um 05:00 Uhr wieder Leinen los mit Ziel Bornholm – Ronne. Bei Anfangs noch schwachen Winden (W 2-3) fuhren wir unter Maschine und gesetztem Groß, aber bereits nach 1½ Stunden und 8,5 sm legte der Wind
etwas zu (W 4-5) und wir konnten unter Vollzeug nach Ronne segeln. Der Wind wurde über den gesamten Tag immer Stärker, so dass wir ab mittags W 5-6 und kurz vor Bornholm W 6 mit 2 m Wellen hatten. Um 17:00 Uhr waren nach 81,5 sm die Leinen in Ronne fest.

Den Folgetag (N-NO 5-6; bedeckt, Schauerböhen) nutzten wir zur Erholung von der Überführung und Überfahrt. Am nächsten Morgen ging es wieder um 05:00 Uhr unter Maschine und Stützsegel (W-NW 2-3, dicht bewölkt) Richtung Karlskrona. Sechs Trawler mit Schleppnetzen kreuzten unseren Weg. Gegen Mittag drehte der Wind (WSW 2-4) und wir konnten nach 53 sm unter Motor endlich wieder segeln. Nach 77,4 sm kamen wir glücklich in Karlskrona an. Von dort aus ging es vorerst unter Maschine durch die Möcklösund-Brücke und 2 sm nach Långören gleich wieder unter Segel nach
Kalmar (W 3-4). Bei weiterhin rückdrehenden Wind (S-SW4) und stabiler Wetterlage haben wir den Spi gesetzt. Leider legte bereits nach einer Stunde der Wind erheblich zu (W-SW, 5-6) und wir mussten den Spi wieder einpacken. Unter Vollzeug ging es weiter nach Kalmar, wo wir um 15:15 Uhr (58,1 sm) fest machten. Die Temperaturen waren in diesem Jahr besonders niedrig – kaum über 10°C; die Schneegrenze war dicht nördlich von Stockholm – , so dass wir unseren ursprünglichen Plan mit den Mälaren fallen ließen und statt dessen unseren lang gehegten Traum vom Göta-Kanal angingen. In Kalmar besorgten wir die uns dafür noch fehlenden Karten und stellten eine grobe Übersicht der Zeiten und Stecken und Ausweichshäfen für die offenen Strecken auf.

Gegen 05:00 Uhr ging es am nächsten Tag bei W 2 auf den Kalmarsund und weiter Richtung Västavik. Gegen Mittag zog eine dunkle Wetterfront vor uns auf und der Wind drehte auf N 6 (Böen bis 7). Mit gereffter Fock und ohne Groß kreuzten wir Richtung Norden. Der Wind legte erneut zu, die Böen reichten bis 8Bft und nach 61 sm war kein vorankommen mehr. Um Mannschaft und Material nicht unnötig zu strapazieren, drehten wir in die Schären ab und machten nach 71,2 sm um 16:15 Uhr in Klintemåla fest. Der Wind nahm am folgende Samstag nicht ab (NNW 6-7) und so fuhren wir nur die kurze Strecke durch die Schären nach Västervik (20,3 sm). Bei Böen bis 39 kn und quasi ohne Welle war schon eine kleine Besegelung für die rasante Fahrt ausreichend. Am nächsten Tag hieß
es wieder früh aufstehen und wir stachen um 05:00 Uhr in See Richtung Stegeborg (W 4). Unter gerefftem Groß und Fock segelten wir glücklich und rasant unseren Kurs durch die wunderschöne Schärenlandschaft. Entgegen der Vorhersagen, legte der Wind im Verlauf des Tages erheblich zu. Bis zu 9 Bft in den Böen, und das sogar unter Landabdeckung. Müde aber glücklich nach einem berauschenden Segeltag legten wir nach 66,1 sm in Stegeborg an. Alle bisherigen Ausweichshäfen hatten wir auslassen können, nun stand der Göta-Kanal vor uns.

Pünktlich zum Saisonbeginn 2012 waren wir kurz nach 09:30 Uhr in Mem, dem östlichen Zugang zum Göta-Kanal (Temperatur schon über 10°C – super! ) und fuhren mit zwei weiteren Deutschen Sportbooten die erste Schleusung der Haupt-Saison 2012.

Die anderen Kanalfahrer hielten bereits in Söderköping, und somit hatten wir den folgenden Kanal für uns allein.

Nach 23,7 sm und 14 Schleusen haben wir gegen 17:15 Uhr die Leinen in Norsholm festgemacht. Wir waren endlich im Göta-Kanal.

Am nächsten Tag freuten wir uns bei wolkenlosem Wetter auf die Schleusentreppe in Berg und genossen die Stille und Einsamkeit auf diesem wunderschönen Kanal. Durch die folgenden 16 Schleusen wurden wir in unserem Reisetempo entschleunigt, denn nach nur 18,1 sm mussten wir auf Anweisung der Schleusenwärter um 16:20 Uhr in Ljungsbro den Tagestripp beenden.

Am folgenden Tag, dem Nationalfeiertag der Schweden (06.06.) durchfuhren wir die nächsten 7 Schleusen und erreichten um 15:30 Uhr Vadstena im Vätternsee. Unser Liegeplatz befand sich direkt im Burggraben und wir genossen bei Sonnenschein und erstmals sommerlichen Temperaturen die Feierlichkeiten.

Aber das sollte es schon wieder mit dem schönen Wetter gewesen sein. Schon am Donnerstag ging es um 06:00 Uhr wieder bei grauem, bedecktem Himmel über den Vätternsee weiter zum nächsten Abschnitt des Göta-Kanals. Wir hatten unsere Stille und Einsamkeit wieder.

Nach 13 Schleusen und 47,9 sm war unser Tagesziel Norrkvarn erreicht. Das dortige Freilichtmuseum mit dem nachgebauten Götakanal ist wirklich sehenswert, wir genossen diesen romantischen Hafen ganz für uns allein. Kaum vorstellbar, was hier im Sommer (bei besserem Wetter) los sein muss.

Nach den letzten 8 Schleusen erreichten wir Syötorp das Ende des Göta-Kanals und hatten damit insgesamt 58 Schleusen und 45 Brücken in nur 4 Tagen und 3 Stunden passiert. Endlich konnten wir wieder segeln und erreichten gegen 14:30 Uhr Maristad im Vännernsee. Wir erfreuten uns über unseren zweiten sommerlichen Tag auf dieser Reise und ließen die Kanal-Erinnerungen schweifen.

Nun konnten wir wieder frei unsere frühen Abfahrtszeiten planen und verließen gleich am Folgetag bei umlaufenden Winden um 2 und Regenschauern gegen 06:00 Uhr mit Ziel Vännersburg den Hafen. Im Laufe des Vormittags lockerte die Bewölkung etwas auf bis plötzlich am Mittag die See ölig wurde.

Mit Blick auf den Barographen wurde unserer Wetterbeobachtungen bestätigt, dass die von SE heranziehende Front eine Gewitterfront ist. Schnell wurde das Stützsegel geborgen und im Zick-Zack wichen wir erfolgreich dem Gewitter aus. Nach 63,6 sm lag unsere Tortilla Flat gegen 16:00 Uhr in Vännersborg fest am Steg. Bei Regenschauer ging es am nächsten Tag in den Trollhätte-Kanal. Den Höhenunterschied von 44 m mit nur 6 Schleusen verbrachten wir wieder ganz alleine in den Schleusenkammern, was bei diesen riesigen Ausmaßen regelrecht unheimlich war.

Gegen 19:00 Uhr lagen wir erschöpft und durchgefroren im Hafen Lilla Bommen, Göteborg. Nach einer heißen Dusche, leckerem Essen und einem Glas Wein dachten, bevor wir in die Kojen sanken, an die letzten 7 Tage der Durchquerung Schwedens von der Ost- zur West-Küste, und träumten von 64 Schleusen, Unmengen von Klappbrücken, Drehbrücken, Schiebebrücken…


Nach über zwei Wochen auf dem Boot war unser zweiter Hafentag fällig und wir
erkundeten Göteborg. In Ruhe planten wir nun den restlichen Verlauf des Törns. Wir stellten fest, dass wir den Göta-Kanal sehr schnell hinter uns gelassen hatten und wir nun noch so viel Zeit zur Verfügung hatten, um die nächsten Etappen etwas kürzer zu planen. Daher wurde als nächstes bei abflauenden Winden Varberg angesteuert. Der Ort und der Hafen sind so charmant, dass wir einen weiteren Hafentag eingelegt haben.

Eine gute Gelegenheit, um kleinere Reparaturarbeiten vorzunehmen und Hausputz zu machen. Der nächste Tag war als nur 20sm-Trip geplant, aber die Fahrt war so schön, dass wir doch wieder über 60sm bis Höganäs gesegelt sind. Kurze Tagestouren scheinen uns nicht zu liegen, denn auch am Folgetag entschieden wir uns unterwegs für die Weiterfahrt nach Skanör. Die Wetteraussichten und daraus resultierenden Strömungen taten ihr übriges, so sind wir, statt nach Malmö rein, unter der Öresundbrücke durch gefahren.

Der nächste Tag war wie vorhergesagt stürmisch und ungemütlich. Clemens Geburtstag haben wir daher mit einem Hafentag und Radtour zum Falsterbo-Kanal begangen.

Die nächste Etappe sollte wieder kurz geplant und lang gefahren werden, also statt nach Trelleborg, fuhren wir nach Ystad. Wie gut, dass wir vorausschauend vorbereiten, sonst wären solche spontanen Entscheidungen mit zusätzlichen Risiken verbunden. Aber so ist das kein Problem für uns. Nach einem etwas problematischen Anlegemanöver haben wir einen sicheren Liegeplatz gefunden um die angekündigten Gewitter des nächsten Tages entspannt abzuwettern. Die Nacht war ein einziges Naturschauspiel.

Da sich am nächsten Morgen die Wetterlage wieder komplett beruhigt hatte, legten wir früh ab mit Ziel Glowe. Nach 57,5 sm erreichten wir an frühen Nachmittag wieder die deutsche Küste. Tags drauf war endlich wieder Spi-Wetter und wir haben den Segeltag mit Spinacker begonnen. Doch das Wetter schlug wieder um und wir segelten unter Vollzeug zwischen Hiddensee und Rügen nach Stralsund. Nach der Ziegelgraben-Brücke haben wir am darauf folgenden Tag wieder schön segeln können, so schön, dass wir uns nicht nur (wie ursprünglich geplant, sic!) nach Gustow verholt haben, sondern bis Stahlbrode gefahren sind. In diesem Jahr haben wir uns wegen der unsicheren Wetterlage für den Weg durch die Peene nach Stettin entschieden und nach den Touren Stahlbrode-Wolgast und Wolgast-Ueckermünde, Stettin erreicht. Der Mast wurde wieder im Akademischen segelverein gelegt, hier war das Wasser so niedrig, dass wir vor dem Kran etwas im Schlamm steckten. Aber noch am Abend lag der Mast gut verschnürt auf dem Boot und der nächste Abend endete am Tresen der Marina Marienwerder. Einen Tag darauf war unsere Reise zu Ende und der Heimathafen erreicht.


Zusammenfassung:

  • in 8 1/2 Tagen von Berlin bis Mem (Göta-Kanal)
  • nur 4 Tage für die Durchfahrt des Göta-Kanals und
    6 Tage von Mem nach Göteborg
  • häufig schlechtes Wetter mit viel Wind und Gewitter
  • häufige Wetterabhängige Umplanung während eines Tages-Trips
    (vorbereitete Alternativrouten)
  • Göta-Kanal und Überführung mit nur 2 Personen
  • 70 Schleusen, 2 x Schiffshebewerk, 2 x Mastlegen und Stellen
  • knapp 1300 sm in 33 Tagen
    Zurückgelegte Strecke:
    gesamt: 1293,9sm
    unter Segel: 652,2sm
    unter Motor: 641,7sm
    Tage:
    gesamt: 33
    auf See: 28
    Hafentage: 5